STEINER & MADLAINA malen das Bild einer Welt, die wir schon lange nicht mehr so eindrücklich und reflektiert wahrgenommen haben. Aufbruch, Licht und Schatten und die Bedrängnis der Gegenwart, ausgedrückt in bezauberndem Indie-Folk-Pop, der Zähne zeigt und enorme Dynamik entwickelt. Mal erinnert ihr zweistimmiger Gesang an First Aid Kit, ihre liedschreiberische Zugänglichkeit lässt an den perlenden Pop von Boy denken, dann wieder geleiten uns Nora Steiner und Madlaina Pollina an düstere Abgründe, wie sie auch Emily Jane White beschreibt. Allerdings sind dies nur ungefähre Orientierungspunkte, allesamt Vergleiche, die der Originalität von STEINER & MADLAINA nicht gerecht werden.
Dass die beiden aus der Schweiz kommen, ist grundlegend für „Cheers“, das erste Album von STEINER & MADLAINA. „Cheers“ heisst nicht nur Prost, Cheers kann ein Anfang und ein Ende sein, eine Begrüßung und auch ein Abschied.
Ihre Musik spielt gekonnt mit textlicher Ambivalenz. Mal fließt sie lieblich daher, dann türmen sich die Instrumente zur Soundwalze auf. Durch die analogen Sounds und teils surfigen Gitarrensounds gewinnt das Album an Wärme und transportiert einen unterschwelligen 60er Jahre Charme - ein nicht nur kokett hingetupftes Stilmittel, das sich durch ihre einprägsamen Titel zieht. Die Arrangements profitieren davon, dass STEINER & MADLAINA mittlerweile mit kompletter Band auftreten - im Zentrum stehen aber immer die beiden Stimmen, die so perfekt harmonieren, dass man die Vertrautheit und langjährige Freundschaft herauszuhören meint. Aus feinfühligen Beobachtungen weben die beiden hoffnungsvolle Geschichten, denen meist das Happy End versagt bleibt. Stattdessen schwingt ein rebellischer Unterton mit, etwa in der Dringlichkeit von “Riot” oder in "Das Schöne Leben". Nora und Madlaina selbst sagen: „Jeder Song erzählt eine Geschichte aus dem schweizerischen Leben ‚Das schöne Leben’ beispielsweise ist die Beschreibung eines privilegierten und im Überfluss ertrinkenden Lebens in einem Land wie der Schweiz. Das Leben in einer gespaltenen Welt, wo wir vor lauter Möglichkeiten Angst bekommen haben, unsere Träume zu verwirklichen. So bleiben wir paralysiert sitzen und stürzen uns in einen Überkonsum, der uns vorübergehend eine gewisse Zufriedenheit vormacht.“
Ihre Herkunft wird naheliegender Weise am stärksten in ihrem schweizerdeutschen Song „Herz vorus id Wand“ zum Ausdruck gebracht. Für die ohnehin schon mehrsprachige Band „war es sehr wichtig, unsere Muttersprache auch auf dem Album präsent zu haben.“ Mit Beobachtungsgabe und Wortgewandtheit verstehen sie es, Geschichten des menschlichen Zusammenseins in nur vordergründig naheliegenden Verläufen zu erzählen. "Wenn du mir glaubst" etwa ist eine fast zwangsläufig nicht im Glück mündende Ode an die scheiternde Zweisamkeit. Ein mitreißendes Meisterstück gleichermaßen.
Sie sind junge, hochtalentierte Songschreiberinnen, ihre Gabe, Emotionen durch Beobachtungen in ihren Liedern zu transportieren, ohne mit Befindlichkeitstexten beliebig zu werden oder sich ausgetretener Pfade zu bedienen, ihre Vorstellung von bestimmten Sounds und Arrangements, die ihre Lieder adäquat präsentieren, die Mehrsprachigkeit als Katalysator von Inhalten, die Originalität ihrer Themen - in der Welt des am Lied orientierten Indie-Pops ist diese Anhäufung von Besonderheiten selten.
Von ihren ersten, selbstverlegten EPs bis zu "Cheers" ist darüber hinaus eine Entwicklung zu bemerken: Songs und Arrangements sind umfassender geworden, ohne ihren ureigenen Charme eingebüßt zu haben. Sie setzen ihre Mehrsprachigkeit konsequent um - fünf deutschsprachige, vier englischsprachige und einen schweizerdeutschen Titel umfasst "Cheers". Das genügt höchsten künstlerischen Maßstäben. Und ist doch zugänglich. So leicht und beschwingt im einen Moment - so tief gründend im nächsten. Wie aus Reispapier gefaltet und aus Bronze gegossen - gleichzeitig. Diese Perle der Avant-Pop-Kunst ist ein wahres Geschenk. Ein berückend begabtes Paar mit einem berückend einnehmenden Debütalbum. Cheers!
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