In einer Welt, in der alle immer lauter schreien, ist der Blick aufs Detail manchmal genau der richtige. Und die Liebe zu eben jenem ganz genauso.
„Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten“ heißt das sechste Album von ClickClickDecker, geschrieben und eingespielt von Kevin Hamann, Oliver Stangl und Sebastian Cleemann, der nach vielen Jahren als Freund, Begleiter und Live-Schlagzeuger nun auch bei den Aufnahmen dabei war.
DIESER NÄCHSTE SCHRITT NACH VORN. EINFACH ZU WEIT EINFACH ZU NAH
In der ehemaligen Dorfschule in Nordfriesland, in der auch schon der Vorgänger „Ich glaub Dir gar nichts und irgendwie doch alles“ entstanden ist, sowie in (Heim-)Studios in Hamburg und Berlin produziert, wird das Unmittelbare der Aufnahmesituation auch auf Album Nummer sechs zum Teil der Komposition. „Mandelika“ eröffnet die Platte mit dem Klacken eines Schalters und dem Atmen einer Orgel, bevor ein vor Spielfreude überbordendes Orchester aus Harmonium, Drums, Gitarren und brutzelnden Effektgeräten sagt, wo es mit der Platte hingeht. „Es hat natürlich unheimlich Spaß gemacht, diesen Lärm zu veranstalten. Und dann am Ende noch so eine strahlende Gitarre drüber zu legen“, sagt Oliver Stangl zu den ersten Takten des Albums.
Die hakenschlagende Wärme der Instrumentierung wird kontrastiert von Texten, die mehr Fragen als Antworten behandeln. Hamann collagiert Dahingesagtes, Aufgeschnapptes und Profanes mit den großen Fragen, die er sich stellt.
WAS ICH VON MIR SAGEN WILL. UND WAS ICH VON MIR HALTE
„Wir befinden uns in einer Zeit, in der man sich an Kleinigkeiten aufgeilt, andererseits können sie einen auch total abfucken“, meint Hamann. „Ich bin keine 20 mehr, ich bin auch keine 50 – alles ist irgendwie super und alles andere sind first world problems. Trotzdem ist da was gewesen, das mich einfach aus der Bahn geworfen hat. Ich konnte den Grund gar nicht fassen. Das spiegelt sich in vielen Texten.“
„Schreckmensch“ heißt das Herzstück des Albums, in dem Hamann in nur einer Minute und 34 Sekunden seiner Depression begegnet, die er während der Arbeit an dem Album durchlebte. Ein freundlicher Schlinger-Beat begleitet die schmerzhafte Offenheit der nur drei Zeilen Text. Hier, am Übergang von A- zu B-Seite, kulminiert der Zweifel. Auch „Minutenklopfer“ vertont das Nichtweiterwissen und die Angst vor allem: „Ich fürchte ja, ich fürchte nein“, heißt es dort.
Mit seinen kryptischen Beobachtungen des Alltäglichen gelingt es Kevin Hamann, das Große im Allerkleinsten zu erzählen und das nicht Sagbare in Worte zu fassen. Zu verstehen, worum es in Hamanns Texten in Wirklichkeit geht, das gelingt den wenigsten. Den meisten aber fällt es nicht schwer, sich selbst darin zu erkennen.
IRGENDWO KOCHT IRGENDWER IRGENDWAS AUF DEM HERD. DU FEHLST MIR
Bauarbeiterfäuste und Airbusse, Müllwagen und Lauborchester, Wehmut und Nachvorneschauen manifestieren sich in dreizehn wundervoll komponierten Songs. Songs, die mit jedem Hören ein anderes Gesicht zeigen. Man entdeckt ein neues Instrument, einen pluckernden Beat, das Knarren einer Diele oder das Rutschen der Finger auf den Gitarrensaiten beim Akkordwechsel. Das Immer-wieder-hören-wollen sei eine oldschoolige Art über Musik nachzudenken, stellt Sebastian Cleemann fest, aber deswegen nicht weniger richtig.
Und so haben Kevin Hamann, Oliver Stangl und Sebastian Cleemann statt einzelne Stücke effektreich in den Vordergrund zu spielen, „Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten“ liebevoll als Ganzes arrangiert. Mal subtil-subversive, mal exzessiv-durchdrehende Intros, Outros und Zwischenspiele tragen einen durch die Platte: Eine Platte, die sich Zeit nimmt und Aufmerksamkeit braucht – genau diejenige, die heutzutage viel zu selten geschenkt wird.
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