Zunächst die Fakten: Odeville ist eine Hamburger Band mit einer langen Geschichte. 2006 gegründet, zeugen ihre bislang fünf veröffentlichten Alben von einer wechselhaften Historie, stets angetrieben von dem Wunsch, als Band künstlerisch weiter zu kommen. Begonnen als eine deutsche Antwort auf die US-amerikanischen Emo-/Screamo- und Post-Hardcore-Bands mit englischem Shouting, dann der Wechsel zu deutschsprachiger Musik und mehr Zugänglichkeit bis hin zum letzten Album „Phoenix“, das in seiner klaren Orientierung hin zu einer einschmeichelnden Gefälligkeit zu ihrem bis dato poppigsten Werk geriet. Und nun also „Rom“, Album Nummer sechs, auf dem wieder vieles ganz anders und neu ist.
Den Kern von Odeville bilden seit Anfang an Gitarrist David, Drummer Sascha und Sänger Hauke. Der Posten des Bassisten wurde einige Male neu besetzt und wird nun bekleidet von Tim, während Tastenmann Martin erst in den letzten Jahren vom Gast-Keyboarder zum festen Mitglied aufstieg. „Wir sind auf eine stoische Weise unerbittlich mit Odeville und haben echt viele Bands überlebt“, lacht David. „Es ist ein Stück weit einfach Leben, das zu tun und weiter zu verfolgen.“
Ein wichtiger Schritt hin zu dem, was man nun auf „Rom“ hört, war das Vorgänger-Album „Phoenix“. Jenes entstand in den Hannoveraner Horus Studios und wurde produziert von Arne Neurand (Donots, ...Trail of Dead, Revolverheld). Es sei, so Hauke, „ein wichtiger Schritt gewesen, mal jemand von außen in den kreativen Prozess zu holen“. Da lag es auf der Hand, auch „Rom“ wieder in Hannover mit Arne einzuspielen, und man hört dem Album an, dass hier eine sehr funktionierende Einheit am Werk ist, die sich gut kennt, um das jeweils Beste aus jedem einzelnen Detail herauszukitzeln.
Dies gilt nicht nur für die Musik, die sich in ihrer stilistischen Breite auf herrliche Weise jeder klassischen Kategorisierung entzieht und vor höchst angriffslustiger Verzerrung ebenso wenig zurück schreckt wie vor balladesken Momenten von großer Intimität; sondern gleichermaßen für die Texte. Hauke sinniert: „Für mich als Künstler war es wichtig, auf 'Rom' mehr ins Erzählen zu kommen, ganze Stories anzubieten.“ Hauke, der neben der Musik ja auch Schauspieler und Regisseur am Theater ist, findet es „geil, wenn mutiges Theater die Leute ranholt und etwas mit ihnen macht – und warum sollte das mit Musik anders sein?“ Odeville ist eben die deutsche Band, die diesen künstlerischen Mut des Theaters überträgt auf deutschsprachige Rockmusik – bis hin zur durchweg höchst durchdachten Dramaturgie der einzelnen Songs. Weil sie es kann und auch muss. Weil das in ihren Genen steckt.
Wirklich neu an der Platte sei, findet die ganze Band, „dass wir nun eben keine Kids mehr sind. Wir akzeptieren unser Erwachsensein – und binden das auch in die Arbeit ein. Und in eine Selbstverständlichkeit unseres Tuns, das jetzt eben so sein muss, weil wir das fühlen.“ Ein nachgerade dramatischer Beweis für die These des Erwachsenseins fanden sie in dem Tatbestand, dass im Zuge der Albumaufnahmen gleich vier der fünf Mitglieder ein Burn-Out hatten. Hauke: „Im Nachhinein müssen wir unserem Produzenten unendlich dankbar sein, dass er es ausgehalten hat, mit vier kompletten Wracks zusammen dieses Album aufzunehmen.“
Es ist eine etwas abgenutzte Redewendung, aber selten traf sie so zu wie auf Odeville: Das einzig Beständige ist der Wandel, und gerade dafür kann und muss man diese Band so schätzen. Eine Band, die den ursprünglich aus dem US-Punk stammenden DIY-Gedanken bis heute und in aller Konsequenz weiter trägt. Damit geht die Band sicher nicht den leichtesten Weg, aber das hat sie noch nie getan. Viel wichtiger sind all die Aspekte, die wahre Kunst letztlich auszeichnen: Glaubwürdigkeit. Substanzielle Tiefe und interpretatorischer Raum. Keine Begrenzungen, die der Markt oder ein aktueller Trend vorgeben würden. Eigenständigkeit, bis hin zur vorsätzlichen Mutwilligkeit in der Abgrenzung gegenüber Konfektions-Ware. Und in alldem eine signifikante Eigenständigkeit zwischen Melodiosität und kompositorischer Konfrontation, zwischen Eingängigkeit und eruptiver Roughness, zwischen dem Feiern des Moments und dem Erzeugen von etwas zeitlos Großartigem.
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